Cohen, Peter, & Arjan Sas (1997), Cannabis use, a stepping stone to other drugs? The case of Amsterdam. In: Lorenz Böllinger (1997), Cannabis Science / Cannabis Wissenschaft. From prohibition to human right / Von der Prohibition zum Recht auf Genuß. Frankfurt am Main: Peter Lang Eurpaïscher Verlag der Wissenschaften. pp. 49-82. German translation by Martin Schmeltzle.
© Copyright 1996, 1997 Peter Cohen & Arjan Sas. All rights reserved.

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Cannabiskonsum als Einstieg zu anderen Drogen?

Das Beispiel Amsterdam

Peter Cohen und Arjan Sas

Führt der Konsum von Marihuana zum Gebrauch anderer Drogen, womit in der Regel Kokain und Heroin gemeint sind? Die mögliche Bejahung dieser Frage ist als 'Stepping-stone-Hypothese' bekannt. In der letzten Zeit ist diese Theorie in leicht abgeänderter Form wieder aufgetaucht: Cannabiskonsum als "Gateway" zu anderen, angeblich gefährlicheren Drogen.

Gabriel Nahas faßt die Beweise für die Theorie, die einen Zusammenhang zwischen Marihuanakonsum und dem Gebrauch anderer Drogen herstellt, im Vorwort der 1990 veröffentlichten 5. Ausgabe von Keep Off the Grass zusammen:

"Es hat sich gezeigt, daß die von Marihuana verursachten biochemischen Veränderungen im Gehirn ein auf Drogensuche und -konsum gerichtetes Verhalten bewirken, das in vielen Fällen dazu führt, daß der Drogengebraucher mit anderen Genußmitteln experimentiert. Die Gefahr des Umstiegs von Marihuana auf Kokain und Heroin ist somit klar belegt."

In diesem Artikel untersuchen wir die Gültigkeit der Stepping-stone-Hypothese für die Stadt Amsterdam, deren Bevölkerung seit gut 20 Jahren relativ ungehindert Cannabis ausprobieren und konsumieren kann. Die Methode, die wir dabei anwenden, unterscheidet sich von der Methode, die Kandel et al gewählt haben (Denise B. Kandel et al. 1992, 1993, 1995). Kandels Datenerhebung basiert auf einem Sample von Schülern der 10. und 11. Klasse im Staat New York, deren Entwicklung von 1971 bis 1990 verfolgt wurde. In einer anderen Untersuchung führt Kandel die Befunde einer Umfrage aus dem Jahre 1988 unter Schülern der Klassen 7 bis 12 in derselben Region an. Kandel findet zwar deutliche Muster im Drogenkonsum, merkt dazu aber an, daß "die Feststellung von Stadien im Drogenverhalten nicht impliziert, daß diese Stadien zwangsläufig oder universell auftreten..." (Kandel et al., 1992, 453). Der Einstieg in ein bestimmtes Stadium ist eine normale und womöglich notwendige, nicht aber eine ausreichende Voraussetzung für den Einstieg in das nächsthöhere Stadium. (Kandel et al., 1992, 454). In diesem Artikel werden wir die Befunde von Kandel sehr detailliert bestätigen. Wir werden darin den Beweis erbringen, daß die überwiegende Mehrheit der Amsterdamer Cannabiskonsumenten nicht auf das nächsthöhere Stadium umsteigt, und daß bei der Minderheit, die es dennoch macht, nur selten aktuellen oder regelmäßigen Konsum von anderen Drogen als Cannabis aufweisen.

Unsere Untersuchung basiert auf umfassenden Datenerhebungen aus Umfragen unter Amsterdamer Haushalten, die für die gesamte Amsterdamer Bevölkerung im Alter von mehr als 12 Jahren repräsentativ sind. Damit ist unsere Vorgehensweise weitaus repräsentativer für die Gesamtbevölkerung als Erhebungen unter Schülern. Zudem basieren wir unsere Befunde auf der Analyse der Antworten von vielen Tausend Befragten.

Uns interessieren weniger die exakten sequentiellen Muster sondern vielmehr die allgemeinen Assoziationen zwischen Drogen. Durch zahlreiche Kontakte mit drogenpolitischen Entscheidungsträgern und mit Eltern von Cannabiskonsumenten sind wir zu der Überzeugung gelangt, daß noch stets nachgewiesen werden muß, ob der Cannabiskonsum mit dem Konsum anderer Drogen (wie Kokain, Heroin oder Ecstasy) assoziiert wird und - wenn ja - für welchen Anteil der Cannabiskonsumenten derartige Assoziationen zutreffen. Des weiteren muß die Frage geklärt werden, wie intensiv sich Cannabiskonsumenten in der Regel mit anderen Drogen befassen, sofern das überhaupt der Fall ist.

Zunächst legen wir allgemeine Daten über die Verbreitung des Drogenkonsums vor, um den Kontext des Drogenkonsums in Amsterdam ansatzweise zu illustrieren. Anschließend gehen wir detailliert auf den Cannabiskonsum in verschiedenen Altersgruppen ein, und zwar anhand der Befunde von drei verschiedenen Umfragen unter Amsterdamer Haushalten, die zwischen 1987 und 1994 durchgeführt wurden. Wir zeigen auf, ob und - wenn ja - wieviele Amsterdamer Cannabiskonsumenten andere verbotene Drogen zu sich nehmen. Wir gehen näher auf den Gebrauch anderer Drogen durch Amsterdamer Cannabiskonsumenten ein, indem wir eine Reihe von sehr präzisen, alternativen Stepping-stone-Hypothesen aufstellen und diese anhand der Daten unsere Haushaltsumfragen überprüfen.

Wir untersuchen den gesamten Gebrauch anderer Drogen durch Cannabiskonsumenten und beschränken uns dabei nicht nur auf den Drogengebrauch, der erst nach dem Beginn des Cannabiskonsums eingesetzt hat. Für diejenigen Gebraucher, die neben Cannabis auch andere verbotene Drogen konsumieren, legen wir auch Daten über das mittlere Zeitintervall zwischen dem ersten Cannabiskonsum und dem ersten Gebrauch von Kokain, Heroin und Ecstasy vor. Für Cannabiskonsumenten, die auch Erfahrungen mit anderen Drogen haben, zeigen wir die Diskontinuierungsraten der letzten 12 Monate und der letzten 30 Tage. Wir zeigen die Diskontinuierungsraten deshalb, weil wir herausgefunden haben, daß Diskontinuierung des Konsums die Regel und Kontinuierung die Ausnahme ist. Abschließend präsentieren wir unsere Schlußfolgerung zur Relevanz und Realität der Stepping-stone-Hypothese in Amsterdam.

Allgemeine Daten zum Drogenkonsum in der Stadt Amsterdam

Tabelle 1 enthält folgende Daten:

  • frühere Erfahrungen mit dem Konsum verschiedener populärer Stoffe in der Stadt Amsterdam[1] ('Jemals-Konsum' oder 'Life Time Prevalence' [LTP]);
  • Drogenkonsum im Jahr vor der jeweiligen Haushaltsumfrage ('Letztjähriger Konsum' oder 'Last Year Prevalence' [LYP]);
  • und Drogenkonsum im Monat vor der jeweiligen Haushaltsumfrage ('Letztmonatiger Konsum' oder 'Last Month Prevalence' [LMP]).

Tabelle 1. Entwicklungen der Verbreitung des Drogenkonsums, 1987 - 1994 (in Prozent). Die Zahlen für 1990 und 1994 wurden nach Altersaufbau, Geschlechtsverteilung und Ethnizität der Bevölkerung im Jahre 1987 korrigiert.
  Jemals-Konsum Letztjähriger Konsum Letztmonatiger Konsum N
Droge 1987 1990 1994 1987 1990 1994 1987 1990 1994 1987 1990 1994
Tabak 71,6 67,4 65,3 ººº 49,6 46,3 44,9 ººº 45,9 42,5 40,0 ººº 4.376 4.443 2.170
Alkohol 87,6 85,7 84,5 ººº 78,8 77,4 76,0 º 71,1 68,4 68,3 º 4.370 4.443 2.168
Cannabis 22,8 24,0 28,5 ººº 9,3 9,8 10,5 5,5 6,0 6,4 4.370 4.440 2.166
Kokain 5,6 5,3 6,0 1,6 1,2 1,6 0,6 0,3 0,8 4.371 4.438 2.136
Ecstasy* 1,2 3,4 0,7 1,7 0,1 0,9 4.440 2.126
Opiate (alle) 9,2 7,2 8,5 2,4 1,9 2,3 1,1 0,6 0,7 4.360 4.422 2.179
Heroin** 1,1 1,2 0,3 0,1 0,2 0,2 - - 4.378 4.422 2.179
Keine Drogen 6,3 8,1 9,3 º 12,0 14,2 14,9 º 17,4 20,4 20,1 º 4.378 4.443 2.179
Sign. test: Chi square (Yates' corr.): 1987 - 1994: º p<.05 ºº p<.01 ººº p<.001
* Ecstasy-Konsum wurde 1987 nicht gefragt.
** 'Jemals-Konsum' von Heroin wurde 1987 nicht gefragt.
Quelle: Sandwijk et al. (1995).

Tabelle 1 zeigt, daß Cannabis die in Amsterdam am häufigsten konsumierte verbotene Droge ist (Life Time Prevalence (LTP) 1994: 28,5%), in weitem Abstand gefolgt von Kokain (LTP 1994: 6%). Der Jemals-Konsum von Heroin ist äußerst gering (LTP 1994: 1,2%), und in der Rubrik 'Letztmonatiger Konsum' taucht Heroin überhaupt nicht mehr auf. Der Ecstasykonsum nimmt zu, wenn auch sehr langsam (LTP 1994: 3,4%). Der 'Letztmonatige Konsum' von Ecstasy in der Gesamtbevölkerung ist gering, nimmt aber in bestimmten Altersgruppen zu. In der Altersgruppe 16-19 Jahre ist der letztmonatige Ecstasykonsum von 0,4 Prozent im Jahre 1990 auf 4,8 Prozent im Jahre 1994 angestiegen. Die Altersgruppe 20-24 Jahre verzeichnet einen Anstieg von 0,6 Prozent auf 2,6 Prozent (Sandwijk et al., 1995, S. 157).

Der 'Jemals-Konsum' von Cannabis in Amsterdam hat seit unserer ersten Erhebung 1987 leicht zugenommen. Die alterskorrigierten Zahlen (standardisiert nach der Altersverteilung des Jahres 1987) zeigen eine Zunahme der Einwohner mit Cannabiserfahrung von knapp 23% der Bevölkerung in 1987 auf knapp 29% in 1994. Diese Zunahme war zu erwarten, da die älteren Bürger der Stadt, die zumeist keine Erfahrungen mit Cannabis haben, sterben. An ihre Stelle treten Jugendliche, bei denen die Wahrscheinlichkeit, daß sie irgendwann einmal Cannabis konsumiert haben, erheblich höher ist. Aufgrund dieses Verschiebungseffekts kann der 'Jemals-Konsum' von Cannabis in Amsterdam nur zunehmen, selbst wenn der Konsum unter Jugendlichen rückläufig wäre.

Cannabiskonsum in der Stadt Amsterdam

Die Entkriminalisierung von Cannabis in Amsterdam begann Anfang der 70er Jahre, als es Jugendzentren gestattet wurde, eigene "Hausdealer" anzustellen. Ab 1980 setzte sich die Entkriminalisierung in raschem Tempo fort, als die sogenannten "Coffeeshops" entstanden. Coffeeshops sind Verkaufsstellen für nicht-alkoholische Getränke, wie Kaffee und Orangensaft, die in dem niederländischen Konzessionssystem für Bars, Gaststätten und Restaurants eine Sonderstellung einnehmen. Im Gegensatz zu den letztgenannten Betrieben benötigten Coffeeshops keine besonderen Konzessionen und waren auch von Auflagen der Bauaufsicht befreit. In diesen Shops entwickelte sich ein freier Markt für den kommerziellen Kleinhandel mit Cannabisprodukten[2], wobei ein ähnliches Zuliefer- und Vertriebssystem wie bei legalen Waren entstand.

Wie wir schon ausgeführt haben, hat der 'Jemals-Konsum' von Cannabis seit unserer ersten Erhebung im Jahre 1987 signifikant zugenommen, und zwar von 23% auf fast 29% der Bevölkerung. Andererseits verzeichnet der 'Letztjährige Konsum' ('Last Year Prevalence' oder LYP) im selben Zeitraum nur einen geringen, statistisch nicht signifikanten Anstieg. Man kann daher sagen, daß der letztjährige Cannabiskonsum über die Jahre hinweg sehr stabil bei ca. 10% der Bevölkerung liegt. Zudem ist er weitaus geringer als der 'Jemals-Konsum'. Der 'Letztmonatige Konsum' ist noch geringer und mit ca. 6% der Bevölkerung wiederum sehr stabil. Das bedeutet, daß die Zahl der Menschen, die hin und wieder Cannabis konsumieren, weitaus größer ist als die der regelmäßigen Konsumenten. Dieses Muster des überwiegend unregelmäßigen Konsums zeigt sich in allen drei Haushaltsumfragen, die wir durchgeführt haben.

Ein genauerer Blick auf den Cannabiskonsum in Amsterdam seit 1987 zeigt, daß die beschriebenen stabilen Gebrauchsmuster nicht für alle Altersgruppen gelten (Tabelle 2). In der Gruppe der 12- bis 15-Jährigen ist der 'Jemals-Konsum' von Cannabis im Zeitraum von 1987-1994 mit ca. 5% stabil. Das gilt auch für die Altersgruppe von 16-19 Jahren, mit ca. 25%. Eine langsame (und statistisch signifikante) Zunahme des 'Jemals-Konsums' wird aber in der Altersgruppe 20-24 Jahre verzeichnet, und zwar von fast 40% im Jahre 1987 auf 50% im Jahre 1994. Das bedeutet, daß im Jahre 1994 die Hälfte der Heranwachsenden in Amsterdam vor ihrem 24. Geburtstag mindestens einmal im Leben Cannabis konsumiert hat. Das Durchschnittsalter der ersten Cannabiserfahrung liegt relativ stabil bei 20 Jahren. Das mediane Alter ist 18 Jahre. Aufgrund des Verschiebungseffekts (ältere Menschen sterben, jüngere treten an ihre Stelle) wird der 'Jemals-Konsum' in der Altersgruppe ab 35 zunehmen, während hingegen genau in dieser Gruppe die Zahlen für den 'Letztmonatigen Konsum' rückläufig sind.

Wenn wir den 'Letztmonatigen Konsum' für die einzelnen Altersgruppen genauer betrachten, zeigt sich über die Jahre hinweg ein stabiles Bild. Im Zeitraum der Studie haben 20-25% aller 'Jemals-Konsumenten' im letzten Monat vor der Befragung Cannabis konsumiert. Von diesen letztmonatigen Cannabiskonsumenten nehmen 66% das Mittel weniger als achtmal im Monat. Ungefähr 20% aller letztmonatigen Konsumenten nehmen Cannabis 20-mal oder öfter im Monat (das sind ca. 5% aller Befragten, die jemals Cannabis genommen haben). Zum Vergleich: Von allen Befragten, die jemals Alkohol getrunken haben, geben 16% an, daß sie im letzten Monat mindestens 20-mal Alkohol konsumiert haben.

In der Altersgruppe der 20- bis 24-Jährigen - die Gruppe, die am aktivsten am Nachtleben der Stadt teilnimmt und zudem beim 'Jemals-Konsum' führend ist - hat ungefähr einer von acht Befragten (ca. 13%) im letzten Monat Cannabis konsumiert. Bei den Befragten über 24 Jahren nimmt der 'Letztmonatige Konsum' ab. Die Popularität von Cannabis nimmt ab bei Amsterdamern ab der Altersgruppe 24-35 Jahre. Ab dem Alter von 50 Jahren verliert man das Interesse fast gänzlich. Wir können aus Überzeugung behaupten, daß der Cannabiskonsum - im Gegensatz zum Alkoholkonsum - heute stark an eine bestimmte Lebensphase geknüpft ist. Wenn das Mittel konsumiert wird - unabhängig von der Popularität - ist es überwiegend ein Phänomen, das in der Altersgruppe der 16- bis 35-Jährigen verbreitet ist. Das Durchschnittsalter der Amsterdamer Cannabiskonsumenten liegt derzeit bei 30 Jahren.


Tabelle 2. Entwicklung des Cannabiskonsums, 1987 - 1994 (in Prozent). Die Zahlen für 1990 und 1994 wurden nach Altersaufbau, Geschlechtsverteilung und Ethnizität der Bevölkerung im Jahre 1987 korrigiert.
  Jemals-Konsum Letztjähriger Konsum Letztmonatiger Konsum N
Alter 1987 1990 1994 1987 1990 1994 1987 1990 1994 1987 1990 1994
12-15 4,7 2,9 5,8 2,9 2,9 5,8 0,6 1,7 2,3 172 175 86
16-19 25,5 21,7 28,7 17,8 16,7 19,4 11,6 10,3 10,9 259 263 129
20-24 38,2 36,3 * 50,0 º 23,4 20,6 26,8 13,1 11,4 14,0 458 465 228
25-29 41,9 42,8 44,1 17,8 19,2 16,9 11,1 12,0 11,4 585 594 290
30-34 46,5 44,4 42,3 13,1 14,9 15,9 8,8 9,3 12,3 443 450 220
35-39 36,2 42,8 45,3 º 12,4 13,4 13,5 6,2 9,6 7,8 387 395 192
40-49 19,1 * 26,7 * 36,1 º 5,7 7,2 8,8 3,3 3,9 5,6 576 584 285
50 + 3,0 3,7 * 6,9 º 0,4 0,9 0,3 0,2 0,6 - 1489 1515 737
Summe 22,8 24,0 * 28,5 º 9,3 9,8 10,5 5,5 6,0 6,4 4369 4440 2166
Sign.test: Chi-Quadrat
* p<.05 1987-1990, 1990-1994
º p<.05 1987-1994
Quelle: Sandwijk et al. (1995)

Cannabis als Einstiegsdroge

Wir haben berechnet, in welchem Maße Menschen mit Cannabiserfahrung auch Erfahrungen mit Kokain (Tabelle 3), Heroin (Tabelle 4) und Ecstasy (Tabelle 5) haben. Wir haben die Befragten nach Altersgruppen gegliedert (Geburtsjahr 1958 oder später und vor 1958), um etwaige altersgebundene Unterschiede festzustellen. Kokain ist in Amsterdam nach Cannabis die am häufigsten benutzte illegale Droge. Tabelle 1 zeigt, daß ca. 6% der Bevölkerung über 12 Jahren Erfahrungen mit Kokain hat. Unter den 'Jemals-Konsumenten' von Cannabis liegt dieser Anteil jedoch merklich höher. Bei dieser Gruppe liegt der 'Jemals-Konsum' von Kokain in den Jahren unserer Umfragen bei ca. 22% (vgl. Tabelle 3). Allerdings beträgt der 'Letztmonatige Konsum' von Kokain bei den Befragten mit Cannabis-Erfahrung nur ca. 2%. Die Zahlen für Heroin sind noch erheblich geringer (vgl. Tabelle 4).

Unter den Befragten, die noch nie Cannabis konsumiert haben, finden wir kaum Menschen mit Kokain- oder Heroin-Erfahrung. Bei Kokain waren es nur 0.4% im Jahre 1987 und 1990 und 0.5% 1994, bei Heroin waren es 1990 und 1994 jeweils 0.1%. Für 1987 haben wir keine Daten für den 'Jemals-Konsum' von Heroin.


Tabelle 3. 'Jemals-Konsum', 'Letztjähriger Konsum' und 'Letztmonatiger Konsum' von Kokain unter Befragten mit Cannabis-Erfahrung (in Prozenten).
  1987 1990 1994 N
Alter Jemals Jahr Monat Jemals v Monat Jemals Jahr Monat 1987 1990 1994
12-15 - - - - - - - - - 8 4 9
16-19 7,6 3,0 - 1,8 1,8 - 1,8 1,8 - 66 56 55
20-24 16,0 5,7 1,1 12,3 4,9 0,6 14,5 9,2 5,2 175 163 173
25-29 33,1 10,2 4,1 23,1 7,0 1,7 18,5 5,8 1,5 245 242 260
30-34 29,6 6,8 1,5 27,7 6,1 2,3 30,3 7,5 3,1 206 213 228
35-39 22,1 2,9 2,1 27,9 4,2 2,1 31,5 7,0 2,3 140 190 213
40-49 21,8 5,5 3,6 21,6 4,0 1,1 23,9 2,7 1,6 110 176 255
50-59 8,1 2,7 2,7 11,4 - - 15,6 1,6 1,6 37 35 64
60-69 - - - 9,1 9,1 9,1 18,2 9,1 9,1 7 11 11
70+ - - - - - - - - - 1 6 4
Summe 23,4 6,2 2,3 21,2 5,0 1,6 22,2 5,7 2,4 995 1.096 1.272

Für Amsterdam liegen uns auch Daten über MDMA oder Ecstasy vor, eine Droge, sie sich zunehmender Beliebtheit erfreut. Tabelle 1 zeigt, daß die Erfahrungen mit MDMA/Ecstasy in Amsterdam zunehmen. Tabelle 5 zeigt, daß dies auch für Ecstasy-Erfahrungen unter Cannabiskonsumenten gilt, vor allem in der Altersgruppe von 16-39 Jahren. Die Befragten ohne Cannabis-Erfahrungen haben jedoch mit Ecstasy - genau wie mit Kokain - fast keine Erfahrungen gemacht ('Jemals-Konsum' 1990 und 1994 ist 0.1%).


Tabelle 4. 'Jemals-Konsum', 'Letztjähriger Konsum' und 'Letztmonatiger Konsum' von Heroin unter Befragten mit Cannabis-Erfahrung (in Prozent).
  1987 1990 1994 N
Alter Jemals* Jahr Monat Jemals Jahr Monat Jemals Jahr Monat 1987 1990 1994
12-15 - - - - - - - - 8 4 9
16-19 - - 1.8 - - - - - 66 56 55
20-24 1,1 0,6 2,5 0,6 - 1,7 1,2 - 175 163 173
25-29 1,2 0,4 5,8 1,2 0,4 3,5 1,5 0,4 245 242 260
30-34 2,4 1,5 5,2 0,5 - 6,1 - - 206 213 228
35-39 2,1 0,7 3,7 - - 7,5 1,4 0,5 140 190 213
40-49 - - 3,4 - - 4,3 1,2 0,4 110 176 255
50-59 2,7 - - - - 1,6 - - 37 35 64
60-69 - - 9,1 - - 9,1 - - 7 11 11
70+ - - - - - - - - 1 6 4
Summe 1,4 0,6 4,0 0,5 0,1 4,3 0,9 0,2 995 1.096 1.272
* Keine Daten vorhanden

Aus den Tabellen 3 bis 5 läßt sich nicht ableiten, daß der Konsum anderer Drogen unter Cannabiskonsumenten weit verbreitet ist. Was den 'Jemals-Konsum' anbelangt, ist Kokain die beliebteste Droge neben Cannabis. Ca. 21% aller Cannabiskonsumenten haben Kokain-Erfahrungen. Das heißt aber auch, daß die überwiegende Mehrheit (79%) aller Cannabiskonsumenten noch nie Kokain genommen hat. Betrachtet man den 'Letztmonatigen Konsum', verzichten fast alle Cannabiskonsumenten (97,6%) auf den Gebrauch von Kokain. Für Heroin und Ecstasy gilt dasselbe, und zwar in noch stärkerem Maße. Von den Cannabiskonsumenten haben nur knapp 4% 'Jemals-Erfahrungen' mit Heroin, für MDMA beträgt der Jemals-Konsum 10%.

Bevor wir die Schlußfolgerung ziehen, daß sich die "Stepping-stone-Hypothese" für die Mehrheit der Amsterdamer Cannabiskonsumenten kaum beweisen läßt, dürfen wir jedoch nicht die Möglichkeit ausschließen, daß wir ein falsches Sample untersuchen. Wenn wir die Gültigkeit der Stepping-stone-Hypothese prüfen wollen, müssen wir verschiedene Teil-Samples untersuchen, nämlich die Befragten mit den meisten Cannabiserfahrungen.


Tabelle 5. 'Jemals-Konsum', 'Letztjähriger Konsum' und 'Letztmonatiger Konsum' von Ecstasy unter Befragten mit Cannabis-Erfahrung (in Prozentanteilen).
  1987* 1990 1994 N
Alter Jemals Jahr Monat Jemals Jahr Monat Jemals Jahr Monat 1987 1990 1994
12-15 - - - - - - 4 9
16-19 7,1 5,4 1,8 16,4 10,9 5,5 56 55
20-24 7,4 3,1 1,8 15,0 12,1 6,4 163 173
25-29 7,0 4,1 - 15,8 5,8 2,3 242 260
30-34 3,8 1,9 - 10,5 3,9 1,8 213 228
35-39 3,7 2,1 - 8,0 2,8 0,9 190 213
40-49 3,4 1,1 - 5,9 1,2 0,8 176 255
50-59 - - - - - - 35 64
60-69 - - - 9,1 - - 11 11
70+ - - - - - - 6 4
Summe 4,9 2,6 0,4 10,5 4,7 2,2 1.096 1.272
* Keine Daten vorhanden

Eine Reihe von Stepping-stone-Hypothesen

In diesem Artikel präsentieren wir den statistischen Teil der Stepping-stone-Hypothese, d.h. die Daten, die wir für die Stadt Amsterdam haben. Wir werden versuchen, einen statistischen Zusammenhang zwischen dem Konsum von Cannabis und dem Konsum anderer Drogen, wie Kokain, Heroin oder Ecstasy, nachzuweisen. Dazu stellen wir eine Reihe von logisch verknüpften Hypothesen auf, indem wir ein stets stärkeres Maß an Involvierung mit Cannabis mit dem Konsum anderer Drogen assoziieren. Darüber hinaus introduzieren wir einen Generationseffekt bei der Operationalisierung unserer Stepping-stone-Hypothesen.

Seit Anfang der 70er Jahre haben die Bürger der Stadt Amsterdam problemlosen Zugang zu Cannabisprodukten, vorwiegend Haschisch und Marihuana. Seit Cannabis für die Bevölkerung der 70er Jahre zugänglich wurde, ist eine neue Generation herangewachsen. Diese Generation hat die Cannabisprohibition nicht am eigenen Leibe erfahren, weil es für sie nicht existent war. Zudem hat diese Generation - geboren 1958 oder später (12 Jahre alt oder jünger im Jahre 1970) - niemals eine aktive Strafvervolgung des individuellen Drogenkonsums erlebt, auch was andere Drogen als Cannabis betrifft. Für die junge Altersgruppe hatte die Entkriminalisierung von Cannabis schon begonnen, als sie das Alter von 12 Jahren erreichten, und sich während ihres Heranwachsens weiter fortgesetzt. Dies könnte sich darin ausdrücken, daß der Cannabiskonsum innerhalb dieser Altersgruppe weitaus höher ist als in der älteren Generation, also der Altersgruppe, die während der stärkeren Kriminalisierung von Cannabis aufgewachsen war. Der Grund für die geringere Verbreitung von Cannabis in der älteren Generation könnte sein, daß diese Amsterdamer, die vor der Entkriminalisierung von Cannabis aufgewachsen sind, die Cannabis-Verbotsregeln derart verinnerlicht haben, daß bei ihnen eine größere Hemmschwelle gegen den Konsum besteht als in der jüngeren Generation. Wir könnten also herausfinden, daß sich das 'Ausweichverhalten' vor Drogen, das durch das Aufwachsen in prohibitiven Drogenkultur verursacht wurde, in der älteren Altersgruppe auch nach Änderung der Drogenpolitik fortsetzt, was sich in geringeren Zahlen beim Konsum von Cannabis und anderen Drogen ausdrückt. Andererseits hat auch die ältere Generation die allmählichen Entkriminalisierung des Konsums aller anderen Drogen miterlebt, was sich darin ausdrücken könnte, daß der Drogenkonsum später einsetzt, aber genauso stark oder gar weiter verbreitet ist. Wir werden diese beiden Gruppen im folgenden als junge Altersgruppe und alte Altersgruppe bezeichnen.

Durch die Schaffung dieser beiden Altersgruppen führen wir eine Art statistisches Experiment durch: Wir untersuchen den Drogenkonsum über einen längeren Zeitraum in Gruppen, die mit einer sehr unterschiedlichen Drogenpolitik konfrontiert wurden. Wir können herausfinden, ob eine Generation von Erwachsenen, die in weniger als einem Jahrzehnt relativ freien Zugang zu bislang nur schwer zugänglichen Drogen erhalten hatte, mit dieser neuen Freiheit umgehen kann, ohne ihr zum Opfer zu fallen, oder ob diese Generation die Freiheit massiv ausnutzt, indem sie mit Drogen experimentiert. Andererseits könnte unsere Studie ergeben, daß der Konsum von sowohl Cannabis als auch anderen Drogen unter der jüngeren Generation stärker verbreitet ist, da diese Generation in einer Situation aufgewachsen ist, in der diese Drogen relativ frei verfügbar waren. Der Hintergrund dieser (hypothetischen) weiteren Verbreitung des Drogenkonsums ist die Tatsache, daß es der jüngeren Generation möglicherweise nicht so eindringlich wie den Älteren beigebracht wurde, die Hände von Drogen zu lassen. Da die Prävention des Drogenkonsums gemeinhin als wichtig angesehen wird, könnten die Daten, die wir mit diesem statistische Experiment erhalten, ein neues Licht auf die Frage werfen, was passiert, wenn sich die Drogenpolitik ändert: Nimmt die Verbreitung des Drogenkonsums infolge der Entkriminalisierung zu? Und wenn ja, bei wem und in welchem Maße?

In ihrer ethnographischen Studie über den Cannabiskonsum in den Niederlanden weisen Sifanek und Kaplan (1995) auf einen möglichen Unterschied zwischen den Altersgruppen hin, wenn sie behaupten, daß die Wahrscheinlichkeit des Umstiegs "auf harte Drogen am stärksten bei Drogenkonsumenten vorhanden war, deren Drogenkarriere begonnen hatte, bevor die Trennung der Märkte für harte und weiche Drogen in den Niederlanden realisiert wurde" (S. 499). Diese Trennung der Märkte von harten und weichen Drogen war das Motiv für die faktische Entkriminalisierung des Konsums und Erwerbs von Cannabisprodukten in den Niederlanden während der 70er Jahre. Die Tabellen 6 und 10 widerlegen die Annahme von Sifanek et al., abgesehen von ein oder zwei Messungen. Bei den meisten Cannabiskonsumenten sind die Werte für LTP, LYP und LMP für Kombinationen von Kokain und Heroin und/oder Ecstasy ähnlich, unabhängig von der Generation, der sie angehören.

Für unsere Analyse haben wir die Datenerhebungen unserer Haushaltsumfragen von 1990 und 1994 zusammengefügt (Summe N = 8,809), da wir lediglich an dem Drogenkonsum als Funktion des Aufwachsens vor oder nach der Änderung der Drogenpolitik - basierend auf der angenommenen Trennung der Märkte - interessiert waren, nicht aber als Funktion des Erhebungszeitpunkts. Die Befunde der Umfrage des Jahres 1987 haben wir dabei nicht berücksichtigt, da wir 1987 nicht nach dem 'Jemals-Konsum' von Heroin, sondern nur von 'Opiaten' gefragt hatten. Zudem wurde der Konsum von MDMA (Ecstasy) 1987 nicht berücksichtigt.

Nach dem Zusammenfügen der Daten von 1990 und 1994 haben wir diese in die besagten Altersgruppen untergliedert. Die junge Altersgruppe umfaßt 3.796 Personen, von denen 1.427 (37,6%) mindestens einmal Erfahrungen mit Cannabis gemacht haben. Die alte Altersgruppe umfaßt 4.996 Personen, von denen 941 (18,8%) mindestens eine Cannabiserfahrung hatten. Bei der jungen Altersgruppe der Cannabiskonsumenten betrug die mittlere Dauer der Cannabiserfahrung 5,6 Jahre, bei der älteren Gruppe 9,7 Jahre. Das mittlere Alter der ersten Erfahrung beträgt bei den Jüngeren 17,9, bei den Älteren 22,6 Jahre. Diese Unterschiede zwischen den Altersgruppen sind beträchtlich, allerdings ist deren Signifikanz auf den ersten Blick nicht deutlich.

Der Unterschied bei den Werten für 'Jemals-Konsum' ließe sich einfach dadurch erklären, daß ein Großteil der alten Altersgruppe zum Zeitpunkt der Änderung der Drogenpolitik sich nicht mehr in der Altersphase befand, in dem die ersten Drogenerfahrungen in der Regel gemacht werden. Die Tatsache, daß Cannabis plötzlich in Mode kommt oder besser erhältlich ist - wie die Entkriminalisierung seit den frühen 70er Jahren reflektiert und betont hat - neutralisiert nicht alle Effekte der altersbedingten Hemmschwelle gegen den Erstkonsum. Die großen Unterschiede beim 'Jemals-Konsum' von Cannabis zwischen der alten und jungen Altersgruppe deutet aber darauf hin, daß eine Entkriminalisierung nicht dazu führt, daß die Generation, die während der Änderung der Politik lebt, massiv zu den entkriminalisierten Drogen greift. Aufgrund der zunehmenden kulturellen Akzeptanz von Cannabis fiel das Experimentieren mit Marihuana der jungen Altersgruppe vermutlich leichter als der alten. Dennoch haben fast zwei Drittel der jungen Altersgruppe Cannabis sogar nicht einmal probiert.

Andererseits haben die Zahlen für den 'Jemals-Konsum' in epidemologischer Hinsicht eher nebensächliche Bedeutung. Wichtiger - und passender für die Fragestellung dieser Studie - als die Assoziation zwischen Cannabiskonsum und regelmäßigem oder starkem Konsum von anderen verbotenen Drogen ist der regelmäßige und starke Konsum von Cannabis. Im weiteren Verlauf dieses Artikels werden wir nachweisen, daß im Hinblick auf den Konsum von anderen Drogen und die Abstinenz von anderen Drogen erstaunlich wenig Unterschiede zwischen den Altersgruppen festzustellen sind.

Stepping-stone-Hypothesen 1-8

In ihrer einfachsten Form stellt die Stepping-stone-Hypothese einen Kausalzusammenhang zwischen Cannabiserfahrungen und Erfahrungen mit anderen Drogen her. Wir können diese Stepping-stone-Hypothese sowohl für die junge als auch die alte Altersgruppe testen.[3] Da wir aber unter der Amsterdamer Bevölkerung als Ganzes - d.h. nicht nach Altersgruppen unterteilt - kaum Beweise für diese Stepping-stone-Hypothese gefunden haben, könnten wir die Hypothese auf andere Art interpretieren. Wir könnten argumentieren, daß der Cannabiskonsum erst dann den Einstieg zu anderen Drogen bildet, wenn ein bestimmtes Mindestmaß an Erfahrungen vorliegt. Ausgehend von dieser Denkweise haben wir die Stepping-stone-Hypothesen 2-5 formuliert. In diesen Hypothesen verknüpfen wir ein zunehmendes Maß an Cannabiserfahrung an die Wahrscheinlichkeit, irgendwann einmal andere Drogen zu konsumieren.

Wir könnten auch argumentieren, daß der 'Jemals-Konsum' von oder gar nur das Experimentieren mit anderen Drogen eigentlich nicht zählt. Stattdessen müßte die Stepping-stone-Hypothese beinhalten, daß der "Umstieg" von Cannabis auf Heroin und/oder Kokain sich nicht nur als 'Jemals-Konsum' darstellt, sondern auch in Form von aktuelleren Erfahrungen mit anderen Drogen, z.B. im letzten Jahr oder im letzten Monat vor der Befragung. Mit anderen Worten: Bei einer genaueren Definition der Stepping-stone-Hypothese sollte Cannabiskonsum mit mehr als nur dem experimentellen Gebrauch anderer Drogen verknüpft werden. Drückt man beispielsweise die Kokain- oder Heroin-Erfahrungen in Form der Häufigkeit des Konsums dieser Drogen aus, so sollte der Cannabiskonsum mindestens 25 Erfahrungen mit diesen anderen Drogen nach sich ziehen. Um ein Mindestmaß des Konsums anderer Drogen anzugeben, haben wir die Stepping-stone-Hypothesen 6-8 entwickelt.


Tabelle 6. Daten über den Cannabiskonsum und die Verbreitung von Cannabis unter Befragten mit Cannabiserfahrungen der Haushaltsuntersuchungen in Amsterdam von 1990 und 1994, unterteilt in alte Altersgruppe (geboren vor 1958) und junge Altersgruppe (geboren 1958 und später). Summe N = 8.809.
  N % Mittlere Dauer des Cannabiskonsums in Jahren Mittleres Alter des ersten Cannabiskonsums Prozentsatz mit LTP von Kokain Prozentsatz mit LTP von Heroin Prozentsatz mit LTP von Ecstasy
LTP Cannabis
geboren 1958 oder später 1.427 100,0 5,6 17,9 19,7 4,3 10,0
geboren vor 1958 941 100,0 9,7 22,6 24,9 3,9 4,7
Summe 2.368 100,0 7,2 19,8 21,7 4,2 7,9
Signifikanz* p<0,001 p<0,001 p<0,01 n.s. p<0,001
LTP Cannabis < 25 mal
geboren 1958 oder später 768 53,8 3,5 18,8 8,7 0,4 3,8
geboren vor 1958 524 55,7 5,2 24,6 10,3 0,2 1,7
Summe 1.292 54,6 4,2 21,1 9,4 0,3 2,9
Signifikanz* p<0,001 p<0,001 n.s. n.a. p<0,05
Cannabis >= 25 mal + kein LMP
geboren 1958 oder später 300 21,0 7,0 17,2 31,0 7,0 9,0
geboren vor 1958 266 28,3 11,9 20,3 34,6 5,3 4,1
Summe 566 23,9 9,3 18,7 32,7 6,2 6,7
Signifikanz* p<0,001 p<0,001 n.s. n.s. p<0,05
LTP Cannabis >= 25 mal + LMP Cannabis 1-19 mal
geboren 1958 oder später 253 17,7 8,6 16,9 32,0 11,1 23,3
geboren vor 1958 101 10,7 20,2 20,5 61,4 12,9 15,8
Summe 354 14,9 12,0 17,9 40,4 11,6 21,2
Signifikanz* p<0,001 p<0,001 p<0,001 n.s. n.s
LTP Cannabis >= 25 mal + LMP Cannabis >= 20 mal
geboren 1958 oder später 71 5,0 10,6 16,2 50,7 14,1 32,4
geboren vor 1958 38 4,0 24,1 18,2 57,9 23,7 18,4
Summe 109 4,6 15,2 16,9 53,2 17,4 27,5
Signifikanz* p<0,001 p<0,05 n.s. n.s. n.s.
* Mittlere Dauer und mittleres Alter: Schüler t; Verbreitung: Chi-Quadrat-Test mit Yates-Korrektur.

Wir präsentieren andere Daten zum Drogenkonsum für jede der beiden beschriebenen Altersgruppen. Nach unserer Definition ist der "Beweis" für die Stepping-stone-Hypothese erbracht, wenn 75% oder mehr aller Cannabiskonsumenten - unabhängig vom Ausmaß ihres Konsums - Erfahrungen mit Heroin, Kokain oder MDMA gemacht haben[4] Diese Hypothese ist unsere Stepping-stone-Hypothese Nr. 1. Möglicherweise gelingt uns der Beweis für die Stepping-stone-Hypothese Nr. 1 für die alte Altersgruppe (die in der Übergangsphase gelebt hat), nicht aber für die junge Gruppe, oder umgekehrt. Eine weitere Bedingung ist natürlich, daß unter den Befragten, die niemals Cannabis konsumiert haben, kein oder nur geringer Konsum von anderen Drogen vorkommt. Daß diese zweite Bedingung zutrifft, haben wir schon nachgewiesen und werden dies nicht stets wiederholen, wenn wir eine neue Stepping-stone-Hypothese aufstellen.

Daß weitaus weniger als 75% aller Cannabiskonsumenten in den beiden Altersgruppen Erfahrungen mit Kokain, Heroin oder MDMA (vgl Tabelle 6) angegeben haben, bedeutet nicht zwangsläufig, daß die Stepping-stone-Hypothese widerlegt ist. Daß wir geringere Prozentanteile als 75% finden, könnte einfach nur darauf zurückzuführen sein, daß wir das falsche Sample untersuchen. Es könnte nämlich der Fall sein, daß viele Cannabiskonsumenten so wenig Erfahrungen mit Cannabis haben, daß die Dynamik des Stepping-stone-Mechanismus nicht greifen kann. Die Stepping-stone-Hypothese trifft möglicherweise nur auf Personen zu, die ein Mindestmaß an Erfahrungen mit Cannabis haben.

Um diese Möglichkeit zu überprüfen, teilen wir unsere Cannabiskonsumenten in verschiedene Erfahrungsklassen ein. Die erste Kategorie besteht aus Konsumenten mit relativ geringem 'Jemals-Konsum', d.h. weniger als 25-mal im Leben. Wir nennen diese Kategorie "wenig erfahrene Konsumenten". Die zweite Kategorie umfaßt Personen, die mindestens 25-mal im Leben Cannabis konsumiert haben, zur Zeit jedoch kein Cannabis nehmen, d.h. keine letztmonatige Cannabiserfahrung haben. Wir nennen diese Gruppe "erfahrene Konsumenten". Die dritte Gruppe besteht aus Personen, die mindestens 25-mal im Leben Cannabis konsumiert haben und zudem in den letzten 30 Tagen 1- bis 19-mal Cannabis genommen haben. Wir nennen sie "erfahrene aktuelle Konsumenten". Die letzte Kategorie umfaßt schließlich Personen mit mehr als 25 Cannabiserfahrungen im Leben, die zudem das Mittel in den letzten 30 Tagen mindestens 20-mal genommen haben. Sie werden als "erfahrene aktuelle starke Cannabiskonsumenten" bezeichnet.

Unsere Stepping-stone-Hypothese Nr. 2 lautet, daß mindestens 75% der 'wenig erfahrenen Cannabiskonsumenten' Erfahrungen mit entweder Kokain, Heroin oder Ecstasy haben.

Die Gruppe der wenig erfahrenen Konsumenten besteht aus 768 Personen aus der jungen und 524 Personen aus der alten Altersgruppe. Zusammen bilden sie 15% aller Befragten und 55% aller Cannabiskonsumenten. Die mittlere Dauer des Cannabiskonsums beträgt in der jungen Altersgruppe 3,5 Jahre und in der alten Altersgruppe 5,2 Jahre. Das mittlere Einstiegsalter ist 19 Jahre bei der jungen und 25 Jahre bei der alten Altersgruppe. Nicht einmal ein Zehntel (9,4%) der wenig erfahrenen Cannabiskonsumenten hat jemals Erfahrungen mit Kokain gemacht. Der 'Jemals-Konsum' von Heroin und Ecstasy liegt bei 0,3% bzw. 2,9%. Damit läßt sich unsere Stepping-stone-Hypothese Nr. 2 nicht einmal ansatzweise beweisen.

Wenden wir uns nun also der Gruppe zu, die cannabiserfahren ist, zur Zeit (d.h. in den letzten 30 Tagen) aber kein Cannabis konsumiert. Diese erfahrenen Cannabiskonsumenten haben im Laufe ihres Lebens mindestens 25-mal Cannabis konsumiert. Sie dürfen als erfahren genug eingestuft werden, daß die Stepping-stone-Hypothese, falls sie eine gewisse Gültigkeit besitzt, in dieser Gruppe zum Tragen kommt. Die Stepping-stone-Hypothese Nr. 3 besagt, daß mindestens 75% aller erfahrenen Cannabiskonsumenten Erfahrungen mit einer der anderen Drogen haben.

Die Gruppe der erfahrenen Cannabiskonsumenten besteht aus 300 Personen aus der jungen und 266 Personen aus der alten Altersgruppe. Zusammen bilden sie 6% aller Befragten und 24% aller Cannabiskonsumenten in beiden Samples. Die mittlere Dauer des Cannabiskonsums beträgt in der jungen Altersgruppe 7 Jahre und in der alten Altersgruppe 11,9 Jahre. Das mittlere Einstiegsalter ist 17,2 Jahre bei der jungen und 20,3 Jahre bei der alten Altersgruppe. 35% der erfahrenen Cannabiskonsumenten aus der alten Altersgruppe haben im Laufe ihres Lebens Kokainerfahrungen gemacht. In der jungen Altersgruppe beträgt dieser Anteil 31%. Obwohl der 'Jemals-Konsum' von Kokain in dieser Gruppe der Cannabiskonsumenten höher ist als bei den wenig erfahrenen Konsumenten, liegt der Anteil dennoch weit unter den 75%, die wir als Kriterium für die Gültigkeit die Stepping-stone-Hypothese Nr. 3 angelegt haben. Bei den erfahrenen Cannabiskonsumenten liegt der 'Jemals-Konsum' von Heroin und Ecstasy bei 6,2% bzw. 6,7%.

Wir formulieren nun die Stepping-stone-Hypothese Nr. 4, die besagt, daß mindestens 75% der erfahrenen und aktuellen (jedoch weniger als 20-mal in den letzten 30 Tagen) Cannabiskonsumenten mindestens einmal im Leben Erfahrungen mit anderen Drogen gemacht haben. Diese Gruppe besteht aus 253 Personen aus der jungen und 101 Personen aus der alten Altersgruppe, die zusammen 15% aller Cannabiskonsumenten und 4% aller Befragten bilden. Das mittlere Einstiegsalter ist 17 Jahre bei der jungen und 20,5 Jahre bei der alten Altersgruppe. Die junge Altersgruppe nimmt im Schnitt seit 8,6 Jahren Cannabis, die alte seit 20,2 Jahren. 61% der alten Altersgruppe hat mindestens einmal im Leben Kokain genommen, bei den Jungen sind es 32%. Erfahrungen mit Heroin haben 11,6% der Befragten aus dieser Gruppe, und 21,2% haben schon einmal Ecstasy genommen.

Die erfahrensten Cannabiskonsumenten in unseren Samples sind diejenigen, die in ihrem Leben mindestens 25-mal und in den letzten 30 Tagen vor der Befragung mindestens 20-mal Cannabis genommen haben. Sie konsumieren Cannabis (fast) täglich, und wir bezeichnen sie als erfahrene aktuelle starke Cannabiskonsumenten. In diese Kategorie fallen 71 Personen aus der jungen und 38 Personen aus der alten Altersgruppe. Zusammen bilden sie 1,2% aller Befragten und 4,6% aller Cannabiskonsumenten in beiden Samples.

Die jüngeren dieser Cannabiskonsumenten nehmen die Droge seit durchschnittlich 10,6 Jahren, die alte Altersgruppe seit 24,1 Jahren. Das mittlere Einstiegsalter ist 16,2 Jahre bei der jungen und 18,2 Jahre bei der alten Altersgruppe. Die Stepping-stone-Hypothese Nr. 5 besagt, daß 75% oder mehr der erfahrenen aktuellen starken Cannabiskonsumenten Erfahrungen mit Kokain, Heroin oder MDMA gemacht haben.

Unsere Untersuchung ergibt einen 'Jemals-Konsum' von Kokain bei 53%, während 17% Heroinerfahrungen gemacht haben. 28% der Befragten in dieser Gruppe haben MDMA genommen. Selbst für diese kleine Gruppe der exzessiven Cannabiskonsumenten läßt sich die Stepping-stone-Hypothese (Nr. 5) also nicht beweisen, obwohl wir uns dem Beweis - was Kokain betrifft - hier mehr als in den anderen Kategorien von Cannabiskonsumenten nähern. Von den Älteren dieser kleinen Gruppe von erfahrenen aktuellen starken Cannabiskonsumenten haben 24% Erfahrungen mit Heroin. Obwohl es sich dabei um eine Minderheit handelt, ist dies der höchste Anteil, den wir in unserer Studie gefunden haben.[5]

Möglicherweise finden wir eine Teilgruppe von Cannabiskonsumenten, bei denen sich Indizien für die Gültigkeit der Stepping-stone-Hypothese finden. Obwohl der Anteil von 75% nicht erreicht wird, haben ca. 50% der erfahrensten Cannabiskonsumenten schon Erfahrungen mit Kokain gemacht. Der 'Jemals-Konsum' von Heroin und MDMA ist wesentlich geringer als die Erfahrung mit Kokain. Allerdings ist der 'Jemals-Konsum' von Heroin bei den erfahrensten Cannabiskonsumenten höher als bei Gruppen mit weniger Cannabiserfahrung.

Wie schon gesagt, liegt der 'Jemals-Konsum' von Cannabis in der alten Altersgruppe bei 18,8% und in der jungen bei 37,6%. Das suggeriert auch, daß - falls die Stepping-stone-Hypothese zutrifft - Kokain unter Befragten aus der jungen Altersgruppe weitaus stärker verbreitet sein müßte als unter den Älteren. Wir stellen jedoch durchgehend fest, daß der 'Jemals-Konsum' von Kokain in der alten Altersgruppe von Cannabiskonsumenten höher liegt als in der jungen Altersgruppe. Der 'Jemals-Konsum' von Heroin ist nahezu identisch, mit Ausnahme der erfahrensten Cannabiskonsumenten. In dieser Kategorie liegt der 'Jemals-Konsum' von Heroin in der älteren Altersgruppe höher. Wir halten dies für einen äußerst interessanten Befund, da er doch eindeutig die Auffassung widerlegt, daß eine Entkriminalisierung von Cannabis zu einer stärkeren Verbreitung anderer Drogen führt.

Wenn wir unsere Serie von Stepping-stone-Hypothesen nun fortsetzen, könnten wir argumentieren, daß die Stepping-stone-Hypothese eigentlich keine Gültigkeit hat, wenn sich die Erfahrungen von Cannabiskonsumenten mit anderen Drogen - egal welcher Erfahrungsgruppe sie angehören - lediglich auf den 'Jemals-Konsum' dieser anderen Drogen beschränken (dieses Kriterium haben wir bei der Prüfung der Stepping-stone-Hypothesen 1 bis 5 angelegt). Wenn man hingegen behauptet, daß der 'Jemals-Konsum' von anderen Drogen stets als experimentell anzusehen ist und nicht als ernstzunehmende Drogenerfahrung zu bewerten ist, müßten wir unsere Stepping-stone-Hypothesen umformulieren. Nach der neuen Formulierung wäre die Stepping-stone-Hypothese dann bewiesen, wenn 75% der Cannabiskonsumenten (egal in welcher Erfahrungsgruppe) mindestens 25-mal im Leben Erfahrungen mit anderen Drogen - in diesem Falle Heroin, Kokain oder Ecstasy - gemacht haben. So lautet denn auch unsere Stepping-stone-Hypothese Nr. 6. Ein Blick auf unsere Daten zeigt, daß lediglich 65 Befragte aus der alten Altersgruppe und 73 aus der jungen Altersgruppe (zusammen 1,6% aller Befragten und 5,8% aller Cannabiskonsumenten) mindestens 25-mal Kokain genommen haben. Auf mindestens 25 Heroinerfahrungen kommen 19 Personen aus der alten und 18 aus der jungen Altersgruppe, zusammen 0,4% aller Befragten und 1,6% der Cannabiskonsumenten. Ecstasy haben 3 Personen aus der alten und 23 aus der jungen Altersgruppe (zusammen 0,3% aller Befragten und 1,1% aller Cannabiskonsumenten) im Laufe ihres Lebens mindestens 25-mal genommen. Das bedeutet, daß sich die Gültigkeit der Stepping-stone-Hypothese Nr. 6 für Amsterdam nicht nachweisen läßt.

Wir kommen nun zur nächsten Stepping-stone-Hypothese, die besagt, daß der 25-malige Konsum von Kokain oder Heroin im Laufe des Lebens einfach zuwenig ist. Formuliert man die Stepping-stone-Hypothese nun dahingehend, daß sie nur dann zutrifft, wenn 75% der Cannabiskonsumenten auch aktuellen Konsum von anderen Drogen (mindestens einmal in den letzten 30 Tagen) oder aktuellen starken Konsum von anderen Drogen (mindestens 20-mal in den letzten 30 Tagen) aufweisen, so erhalten wir die Stepping-stone-Hypothesen Nr. 7 und 8.

Prüfen wir nun die Hypothese Nr. 7 anhand unserer Daten, finden wir 48 Personen, die derzeit Kokain konsumieren (20 aus der alten und 28 aus der jungen Altersgruppe). Dies sind 0,5% aller Befragten und 2,0% aller Cannabiskonsumenten. Heroin benutzen derzeit nur 2 Personen aus der alten und 2 aus der jungen Altersgruppe. Ecstasy nehmen 28 Personen aus der jüngeren und 4 aus der älteren Altersgruppe, zusammen 1,4% aller Cannabiskonsumenten und 0,4% aller Befragten. Die Hypothese Nr. 8 (75% aller Cannabiskonsumenten haben in den letzten 30 Tagen mindestens 20-mal Heroin oder Kokain konsumiert) ergibt für Heroin wie für Kokain jeweils nur 2 Personen von insgesamt 2.368 und läßt sich somit auch nicht bestätigen.

Im folgenden gehen wir detailliert auf den Kokainkonsum (Tabelle 7) von Cannabiskonsumenten ein, gegliedert nach Altersgruppe und Maß der Cannabiserfahrung.


Tabelle 7. Daten über den Kokainkonsum in Teil-Samples von Cannabiskonsumenten mit Kokainerfahrung ('Jemals-Konsum') aus den Amsterdamer Haushaltsumfragen 1990 und 1994, unterteilt in alte Altersgruppe (geboren vor 1958) und junge Altersgruppe (geboren 1958 oder später). Summe N = 8,809.
  N % Mittlere Dauer des Kokainkonsums in Jahren Durchschnittsalter des ersten Kokainkonsums Mittlerer Zeitabstand erster Cannabiskonsum - erster Kokainkonsum
LTP Cannabis
geboren 1958 oder später 281 100,0 2,6 20,6 3,6
geboren vor 1958 234 100,0 3,2 27,3 7,5
Summe 515 100,0 2,9 24,1 5,6
Schüler t Signifikanz n.s. p<0,001 p<0,001
LTP Cannabis < 25 mal
geboren 1958 oder später 67 23,8 1,1 22,2 2,5
geboren vor 1958 54 23,1 1,1 29,4 6,7
Summe 121 23,5 1,1 26,1 4,8
Schüler t Signifikanz n.s. p<0.001 p<0.05
Cannabis >= 25 mal + kein LMP
geboren 1958 oder später 93 33,1 1,9 20,8 4,0
geboren vor 1958 92 39,3 3,3 26,5 7,2
Summe 185 35,9 2,7 23,7 5,7
Schüler t Signifikanz p<0,1 p<0,001 p<0,001
LTP Cannabis >= 25 mal + LMP Cannabis 1-19 mal
geboren 1958 oder später 81 28,8 4,1 20,2 3,7
geboren vor 1958 62 26,5 4,1 27,2 7,7
Summe 143 27,8 4,1 23,9 5,9
Schüler t Signifikanz n.s. p<0,001 p<0,001
LTP Cannabis >= 25 mal + LMP Cannabis >= 20 mal
geboren 1958 oder später 36 12,8 5,0 18,4 4,0
geboren vor 1958 22 9,4 7,2 26,2 9,6
Summe 58 11,3 5,8 21,7 6,3
Schüler t Signifikanz n.s. p<0,005 p<0,005

Tabelle 7 zeigt, daß die Dauer des Kokainkonsums in Jahren in beiden Altersgruppe ähnlich ist, wobei die Phase des Kokainkonsums bei jungen Cannabiskonsumenten allerdings zu einem früheren Zeitpunkt im Leben einsetzt als bei den älteren.


Tabelle 8. Daten über den Heroinkonsum in Teil-Samples von Cannabiskonsumenten mit Heroinerfahrung ('Jemals-Konsum') aus den Amsterdamer Haushaltsumfragen 1990 und 1994, unterteilt in alte Altersgruppen (geboren vor 1958) und junge Altersgruppe (geboren 1958 oder später). Summe N = 8,809.
  N % Mittlere Dauer des Kokainkonsums in Jahren Durchschnittsalter des ersten Kokainkonsums Mittlerer Zeitabstand erster Cannabiskonsum - erster Kokainkonsum
LTP Cannabis
geboren 1958 oder später 62 100,0 2,2 20,5 4,4
geboren vor 1958 37 100,0 5,0 25,5 7,3
Summe 99 100,0 3,3 22,4 5,5
Schüler t Signifikanz p<0,05 p<0,001 p<0,005
LTP Cannabis < 25 mal
geboren 1958 oder später 3 4,8 5,0 22,7 3,7
geboren vor 1958 1 2,7 - 25,0 5,0
Summe 4 4,0 3,8 23,3 4,0
Schüler t Signifikanz n.a. n.a. n.a.
LTP Cannabis >= 25 mal + kein LMP
geboren 1958 oder später 21 33,9 1,3 19,5 3,1
geboren vor 1958 14 37,8 3,3 23,8 6,2
Summe 35 35,4 2,0 21,2 4,3
Schüler t Signifikanz n.s. p<0,05 p<0,05
LTP Cannabis >= 25 mal + LMP Cannabis 1-19 mal
geboren 1958 oder später 28 45,2 1,2 21,7 5,8
geboren vor 1958 13 35,1 4,0 27,1 8,2
Summe 41 41,4 2,2 23,6 6,7
Schüler t Signifikanz p<0,05 p<0,100 n.s.
LTP Cannabis >= 25 mal + LMP Cannabis >= 20 mal
geboren 1958 oder später 10 16,1 5,6 19,1 3,8
geboren vor 1958 9 24,3 9,4 25,6 8,0
Summe 19 19,2 7,4 22,2 5,8
Schüler t Signifikanz n.s. p<0,05 p<0,100

Für Heroin ergibt sich eine etwas andere Situation (Tabelle 8). Im Gegensatz zu Kokain ist die Dauer des Heroinkonsums bei den älteren der 99 Cannabiskonsumenten mit Heroinerfahrung länger als bei der jungen Altersgruppe. Dennoch macht die jüngere Altersgruppe ihre (Heroin-) Erfahrungen früher als die älteren Cannabiskonsumenten.


Tabelle 9. Daten über den Ecstasykonsum in Teil-Samples von Cannabiskonsumenten mit Ecstasyerfahrung ('Jemals-Konsum') aus den Amsterdamer Haushaltsumfragen 1990 und 1994, unterteilt in alte Altersgruppen (geboren vor 1958) und junge Altersgruppe (geboren 1958 oder später). Summe N = 8,809.
  N % Mittlere Dauer des Kokainkonsums in Jahren Durchschnittsalter des ersten Kokainkonsums Mittlerer Zeitabstand erster Cannabiskonsum - erster Kokainkonsum
LTP Cannabis
geboren 1958 oder später 143 100,0 1,1 23,0 6,1
geboren vor 1958 44 100,0 1,1 35,7 17,0
Summe 187 100,0 1,1 26,0 8,6
Schüler t Signifikanz n.s. p<0,001 p<0,001
LTP Cannabis < 25 mal
geboren 1958 oder später 29 20,3 1,1 22,5 6,3
geboren vor 1958 9 20,5 - 38,8 14,1
Summe 38 20,3 0,8 28,6 8,1
Schüler t Signifikanz n.s. p<0,001 p<0,05
LTP Cannabis >= 25 mal + kein LMP
geboren 1958 oder später 27 18,9 1,5 22,1 5,9
geboren vor 1958 11 25,0 0,6 34,1 15,0
Summe 38 20,3 1,2 25,6 8,3
Schüler t Signifikanz n.s. p<0,001 p<0,001
LTP Cannabis >= 25 mal + LMP Cannabis 1-19 mal
geboren 1958 oder später 59 41,3 0,8 22,5 5,9
geboren vor 1958 16 36,4 1,8 35,3 18,6
Summe 75 40,1 1,1 25,3 8,7
Schüler t Signifikanz n.s. p<0,001 p<0,001
LTP Cannabis >= 25 mal + LMP Cannabis >= 20 mal
geboren 1958 oder später 23 16,1 1,1 22,9 7,0
geboren vor 1958 7 15,9 2,5 35,5 19,2
Summe 30 16,0 1,4 25,5 9,5
Schüler t Signifikanz n.s. p<0,001 p<0,001

Was die mittlere Dauer des Konsums von Ecstasy betrifft, bestehen große Ähnlichkeiten mit dem Kokainkonsum (Tabelle 9). Die Dauer der Ecstasy-Karriere ist ähnlich (kurz!), obwohl sie bei der jungen Altersgruppe früher einsetzt und der mittlere Zeitabstand zwischen dem ersten Cannabiskonsum und dem Erstkonsum von Ecstasy bei der jungen Altersgruppe kürzer ist als bei der alten. Das ist jedoch nicht verwunderlich, da Ecstasy in Amsterdam erst in den späten 80er Jahren auf den Markt kam.

Diskontinuierung des Konsums anderer Drogen bei Cannabiskonsumenten

Wir wenden uns nun wiederum einer anderen Gruppe zu. Bisher haben wir zunächst untersucht, welchen Anteil die cannabiserfahrenen Befragten der Haushaltsumfragen an der Gesamtpopulation ausmachten. Anschließend haben wir uns auf die Cannabiskonsumenten in dieser Population konzentriert, um herauszufinden, ob und - wenn ja - in welchem Maße sie auch Erfahrungen mit anderen Drogen haben.

Im folgenden Abschnitt beschränken wir uns auf die Teilgruppe der Cannabiskonsumenten, die irgendwann in ihrem Leben Erfahrungen mit anderen Drogen gemacht haben. Wenn Cannabiskonsumenten andere Drogen nehmen, wie intensiv befassen sie sich mit diesen anderen Mitteln? Ist die Diskontinuierung - d.h. die Einstellung - des Drogenkonsums bei Cannabiskonsumenten, die auch Erfahrungen mit anderen Drogen machen, die Ausnahme oder die Regel?

Anhand der Diskontinuierungsraten für das letzte Jahr und die letzten 30 Tage wollen wir den Anteil der Cannabiskonsumenten ermitteln, die zwar Erfahrungen mit anderen Drogen haben, den Konsum dieser Drogen jedoch nicht fortsetzen. Wir zeigen die Diskontinuierungsraten für Kokain (Abb. 1), Heroin (Abb. 2) und Ecstasy (Abb. 3) in den letzten 12 Monaten und den letzten 30 Tagen in verschiedenen Teil-Samples der Befragten, gegliedert nach Altersgruppen.

Diskontinuierung des Kokainkonsums bei Cannabiskonsumenten

Wir definieren die letztjährige bzw. letztmonatige Diskontinuierungsrate einer Droge als den Prozentanteil der Befragten, die die Frage nach dem 'Jemals-Konsum' einer Droge bejaht haben, diese Droge jedoch im letzten Jahr bzw. letzten Monat vor der Befragung nicht genommen haben.

Abbildung 1 zeigt die Diskontinuierungsraten für Kokainkonsum in fünf Teil-Samples von Cannabiskonsumenten, und zwar von 'Jemals-Konsumenten' von Cannabis (die also mindestens eine Cannabiserfahrung im Leben gemacht haben) bis hin zu Befragten, die in der Vergangenheit und der Gegenwart starken Cannabiskonsum aufweisen.


Abbildung 1. Diskontinuierungsraten für Kokainkonsum
Diskontinuierungsraten für Kokainkonsum

Was die Diskontinuierungsraten für Kokainkonsum in den letzten 30 Tagen vor der Umfrage betrifft, gibt es keine Unterschiede zwischen der jungen und der alten Altersgruppe. Signifikante Unterschiede gibt es allerdings bei den Diskontinuierungsraten für Kokainkonsum in den letzten 12 Monaten vor der Befragung. Bei Befragten, die 1958 oder später geboren wurden, sind die Diskontinuierungsraten etwas niedriger als bei Befragten, die vor 1958 geboren wurden. Das bedeutet, daß - über einen Zeitraum von 12 Monaten gemessen - Cannabiskonsumenten aus der jüngeren Altersgruppe häufiger Kokain nehmen als die älteren Befragten.

Diese Unterschiede lassen sich nicht zwangsläufig darauf zurückführen, daß die junge Altersgruppe in einer Situation aufgewachsen ist, in der die Kriminalisierung des individuellen Drogenkonsums erheblich geringer war als zuvor. Die Unterschiede zwischen der jungen und der alten Altersgruppe können durchaus auch durch altersbedingte Variablen, die den Kokainkonsum beeinflussen, verursacht werden. Unsere Untersuchungen unter Amsterdamer Kokainkonsumenten haben beispielsweise ergeben, daß Kokainkonsum stark an einen bestimmten Lebensstil gebunden ist, in dem Ausgehen und das Knüpfen (neuer) sozialer Kontakte dominieren (Cohen 1989, Cohen und Sas, 1995). In zwei unabhängigen Samples von erfahrenen Kokainkonsumenten - in der Größenordnung von 160 bzw. 108 Befragten - wurden "Ausgehen", "Parties" und "Umgang mit Freunden" als die drei häufigsten Situationen genannt, in denen Kokainkonsum vorkommt (Cohen und Sas 1995, S. 71). Das mittlere Einstiegsalter in den Kokainkonsum beträgt 22,3 Jahre (Cohen und Sas, 1994). Eine 1991 durchgeführte Follow-up-Studie unter 64 Kokainkonsumenten aus dem Sample von 1987 zeigte, daß nach einer Drogenkarriere von durchschnittlich zehn Jahren (Durchschnittsalter 31 Jahre) 64% der Kokainkonsumenten in den letzten drei Monaten vor der Follow-up-Befragung 1991 keinen Kokainkonsum angegeben haben (Cohen und Sas 1993, S. 29). Daraus schließen wir, daß die geringen, aber signifikanten Unterschiede bei den Diskontinuierungsraten der letzten 12 Monate zwischen der alten und der jungen Altersgruppe durchaus auf unterschiedliche Lebensweisen und auf das Alter zurückgeführt werden können. Junge Kokainkonsumenten gehen viel aus, was jedoch mit zunehmenden Alter weniger wird. Je älter die Gruppe der Kokainkonsumenten ist, um so höher werden die Diskontinuierungsraten. Zudem war Kokain bis 1970 in Amsterdam nahezu unbekannt. Dadurch war für die älteren Befragten die Wahrscheinlichkeit, mit Personen zusammenzutreffen, die sie mit Kokain in Kontakt bringen würden, weitaus geringer als bei Befragten aus der jungen Altersgruppe.

Wir stellen fest, daß bei der jungen Altersgruppe die Diskontinuierungsraten für Kokainkonsum in den Teil-Samples der erfahrensten und aktuellen Cannabiskonsumenten am geringsten sind. Das gilt nicht für die alte Altersgruppe. Auch das läßt sich durch Alter und Lebensweise erklären.

Diskontinuierung des Heroinkonsums bei Cannabiskonsumenten

Abbildung 2 zeigt, daß es bei Heroin - im Gegensatz zu unseren Befunden bei Kokain - zwischen der alten und der jungen Altersgruppe keine signifikanten Unterschiede im Hinblick auf die (sehr hohen) Diskontinuierungsraten gibt. Das bedeutet, daß weder die Änderungen der niederländischen Drogenpolitik noch alters- oder lebensstilbedingte Unterschiede zu einer stärkeren Verbreitung des Heroinkonsums führen.

Diese Zahlen sind interessant, weil sie zeigen, daß der aktuelle Heroinkonsum selbst bei Personen, die starken Cannabiskonsum aufweisen, sehr gering ist. Sie zeigen zudem, daß es eine kleine Gruppe von Menschen gibt, die - unabhängig von der Altersgruppe - über einen Zeitraum von 12 Monaten auf rekreativer Basis Heroin konsumieren (vgl. Blackwell, 1982).


Abbildung 2. Diskontinuierungsraten für Heroinkonsum
Diskontinuierungsraten für Heroinkonsum

Diskontinuierung des Ecstasykonsums bei Cannabiskonsumenten

Tabelle 1 zeigt, daß sich der Ecstasykonsum in Amsterdam von 1990 bis 1994 generell verdreifacht hat, und zwar von 1,2% auf 3,4% der Bevölkerung ab 12 Jahren. Bei den Cannabiskonsumenten hat sich der 'Jemals-Konsum' von Ecstasy zwischen 1990 und 1994 von 4,9% auf 10,4% verdoppelt.

Dieser Anstieg ist bei Befragten, die mindestens einmal im Leben Cannabis konsumiert haben, ungefähr genauso hoch wie bei erfahrenen aktuellen starken Cannabiskonsumenten. Bei Befragten ohne jegliche Cannabiserfahrung lag der Ecstasykonsum fast auf Null ('Jemals-Konsum' 1990 und 1994 ist 0,1%). Die Diskontinuierungsraten für Ecstasy sind in der jungen Altersgruppe etwas geringer als in der alten, jedoch sind diese Abweichungen nicht signifikant.

Die Diskontinuierungsraten für Ecstasy sind in den Teil-Samples der erfahrenen aktuellen Cannabiskonsumenten nicht geringer, so daß kein unmittelbarer Zusammenhang zwischen dem Ausmaß des Cannabiskonsums und dem Konsum von Ecstasy festzustellen ist.


Abbildung 3. Diskontinuierungsraten für Ecstasykonsum
Diskontinuierungsraten für Ecstasykonsum

Betrachten wir nun die Diskontinuierungsraten von allen drei Drogen in den letzten 12 Monaten vor der Befragung, so sind diese bei Ecstasy geringer als bei Heroin und Kokain. Über den Zeitraum von 12 Monaten gemessen, wird Ecstasy von beiden Altersgruppen offensichtlich häufiger konsumiert als Kokain oder Heroin. Andererseits sind die Diskontinuierungsraten für Ecstasy in den letzten 30 Tagen vor der Befragung jedoch sehr hoch. Das könnte bedeuten, daß - obwohl Ecstasy über einen Zeitraum von 12 Monate hinweg häufiger als Kokain konsumiert wird - nur wenige Befragte dazu neigen, das Mittel häufiger als einmal im Monat einzunehmen.

Zeitintervalle zwischen Drogen

Die Tabellen 7, 8 und 9 zeigen, daß das Durchschnittsalter des ersten Drogenkonsums - einschließlich Cannabis - bei der jungen Altersgruppe insgesamt niedriger ist. Bei Cannabiskonsumenten aus der jungen Altersgruppe ist der Zeitraum zwischen dem ersten Cannabiskonsum und dem ersten Konsum anderer Drogen zudem kürzer als bei der alten Altersgruppe der Cannabiskonsumenten. Offensichtlich greifen Personen, die nach 1958 geboren wurden, generell früher zu Drogen als die älteren. Unabhängig von der Altersgruppe stellen wir jedoch fest, daß Cannabiskonsum in der Regel stets dem Konsum anderer Drogen vorangeht. Der Zeitabstand in Jahren zwischen dem ersten Cannabiskonsum und dem Konsum anderer Drogen kann dabei aber - je nach Altersgruppe oder Ausmaß des Cannabiskonsums - verschieden lang sein.

Abgesehen von den aktuellen, erfahrenen Cannabiskonsumenten sind die Zahlen für den 'Jemals-Konsum' von Kokain in der alten und jungen Altersgruppe relativ identisch. Dies gilt - wenn auch mit leichten Abweichungen - auch für Heroin. Das bedeutet, daß die jungen und alten Altersgruppen insgesamt gesehen im gleichen Maße Erfahrungen mit Drogen machen, wobei lediglich der Zeitrahmen, in dem dies geschieht, abweicht! Da die Anzahl der Drogen-Neueinsteiger in der Altersgruppe ab 35 Jahren abnimmt, ist zu erwarten, daß der 'Jemals-Konsum' von Ecstasy in der alten Altersgruppe niemals das Ausmaß erreichen wird, das wir in der jungen Altersgruppe messen.

Möglicherweise läßt sich daraus folgern, daß die Verfügbarkeit einer Droge dazu führt, daß die Bevölkerung nur sie bis zu einem bestimmten Maße konsumiert. Die strafrechtliche Verfolgung des Drogenkonsums hat kaum Einfluß auf die letztendliche Verbreitung von Drogen. Wenn dies stimmt, könnte man von einem Sättigungsphänomen beim Drogenkonsum sprechen, das allenfalls historisch oder kulturell bedingte Unterschiede aufweist. In Ländern mit eng verwandten Kulturen - beispielsweise die Niederlande und Deutschland - sind die unterschiedliche Form der Cannabisdistribution und die stark divergierende Drogenpolitik von geringerer Bedeutung als die absolute Verfügbarkeit. In der Praxis ist denn auch der 'Jemals-Konsum' von Cannabis in beiden Ländern gleich hoch (Reuband, 1992, 1995).


Tabelle 10. 'Jemals-Konsum' (LTP), 'Letztjähriger Konsum' (LYP) und 'Letztmonatiger Konsum' (LMP) von Kokain und Heroin unter Befragten der Amsterdamer Haushaltsumfragen 1990 und 1994, gegliedert nach alter Altersgruppe (geboren vor 1958) und junger Altersgruppe (geboren 1958 oder später). Summe N = 8,809.
  N % LTP Kokain & Heroin (%) LYP Kokain & Heroin (%) LMP Kokain & Heroin (%)
LTP Cannabis
geboren 1958 oder später 1.427 60,3 20,1 6,4 2,0
geboren vor 1958 941 39,7 25,5 4,7 2,1
Summe 2.368 100,0 22,3 5,7 2,1
Chi-Quadrat* 9,22 2,74 0,00
(p<.01) (n.s.) (n.s.)
LTP Cannabis < 25 mal
geboren 1958 oder später 768 59,4 8,7 1,8 0,7
geboren vor 1958 524 40,6 10,3 1,7 0,4
Summe 1.292 100,0 9,4 1,8 0,5
Chi-Quadrat* 0,74 0,01 0,07
(n.s.) (n.s.) (n.a.)
LTP Cannabis >= 25 mal + kein LMP
geboren 1958 oder später 300 53,0 31,3 5,7 1,0
geboren vor 1958 266 47,0 35,7 4,1 1,5
Summe 566 100,0 33,4 4,9 1,2
Chi-Quadrat* 1,03 0,41 0,03
(n.s.) (n.s.) (n.a.)
LTP Cannabis >= 25 mal + LMP Cannabis 1-19 mal
geboren 1958 oder später 253 71,5 34,0 15,4 4,3
geboren vor 1958 101 28,5 63,4 17,8 9,9
Summe 354 100,0 42,4 16,1 5,9
Chi-Quadrat* 25,79 0,16 3,05
(p<.001) (n.s.) (n.s.)
LTP Cannabis >= 25 mal + LMP Cannabis >= 20 mal
geboren 1958 oder später 71 65,1 50,7 26,8 14,1
geboren vor 1958 38 34,9 60,5 15,8 10,5
Summe 109 100,0 54,1 22,9 12,8
Chi-Quadrat* 0,60 1,11 0,05
(n.s.) (n.s.) (n.s.)
* df=1, Yates-Korrektur

Wir fassen nun zusammen. In Amsterdam hat eine Minderheit aller Cannabiskonsumenten (21,7%) Kokainerfahrungen (Tabelle 6). Zählt man den 'Jemals-Konsum' von Kokain, Heroin und Ecstasy zusammen, steigt der Anteil der Cannabiskonsumenten, die Erfahrungen mit einer dieser drei anderen Drogen haben, auf 24,9% (Tabelle 10). Dem steht gegenüber, daß drei Viertel bis zwei Drittel (je nach Altersgruppe) aller Menschen mit Cannabiserfahrung niemals eine andere illegale Droge konsumiert haben. Die Mehrheit aller Cannabiskonsumenten unterscheidet sich in dieser Hinsicht nicht von den 'Niemals-Konsumenten' von Cannabis, die nur unbedeutende Erfahrungen mit anderen Drogen haben (0,5%).

Betrachten wir nun die 21,7% der Cannabiskonsumenten, die Kokainerfahrungen haben, zeigt sich, daß der 'Jemals-Konsum' von Kokain proportional zu dem Maße der Cannabiserfahrung zunimmt. Fast 22% aller Cannabiskonsumenten haben Kokainerfahrungen gemacht. Von den wenigen Cannabiskonsumenten aber, die den stärksten Konsum und die meisten Erfahrungen aufweisen, hat mehr als die Hälfte (53%) auch Kokainerfahrungen. Bei Heroin liegen die Werte weitaus niedriger. Lediglich 4,2% aller Cannabiskonsumenten - jedoch 17,4% der kleinen Gruppe von erfahrenen aktuellen starken Cannabiskonsumenten (die 4,7% aller Cannabiskonsumenten ausmachen) - hat auch Heroinerfahrungen. Berücksichtigt man dabei die relativ hohen Diskontinuierungsraten von Kokain, Heroin und Ecstasy (Abbildungen 1-3), können wir hinzufügen, daß nur wenige Menschen aus der kleinen Gruppe von Cannabiskonsumenten, die jemals Erfahrungen mit diesen anderen Drogen machen, sich zu aktuellen oder regelmäßigen Konsumenten entwickeln. Unsere detaillierten Studien über den Kokainkonsum in Amsterdam haben ergeben, daß selbst regelmäßiger Kokainkonsum so gut wie nie fortgesetzt wird, wenn man die Kokainkarriere über einen Zeitraum von zehn Jahren betrachtet. Wie bei Heroin und Kokain finden wir Ecstasyerfahrungen nur bei Cannabiskonsumenten. Das Maß an Cannabiserfahrung spielt bei der Bestimmung der Wahrscheinlichkeit von Ecstasyerfahrungen unter Cannabiskonsumenten eine geringe oder überhaupt keine Rolle.

Mit anderen Worten: Eine Minderheit der Amsterdamer Bevölkerung ist an Erfahrungen mit illegalen Drogen interessiert, die große Mehrheit dieser Personen hält Erfahrungen mit Cannabis jedoch für ausreichend. Der aktuelle Konsum von Heroin und Kokain ist unter Cannabiskonsumenten zwar gering, aber - im Gegensatz zu Nicht-Cannabiskonsumenten - dennoch vorhanden. Dieser Unterschied könnte der Grund dafür sein, daß sich die Stepping-stone-Hypothese so hartnäckig hält.

Alkohol und Cannabis

Bevor wir diesen Artikel beenden und unsere Schlußfolgerungen ziehen, wollen wir einen Blick auf den Cannabiskonsum unter Konsumenten und Nicht-Konsumenten von Alkohol werfen. Kandel et al. (1992) haben aufgezeigt, daß Alkohol- und/oder Tabakkonsum oft dem Cannabiskonsum vorausgeht. Nur 4,5% ihrer Befragten hatten Marihuana konsumiert, ohne vorher legale Drogen genommen zu haben.

Unsere Amsterdamer Untersuchung hat ergeben, daß nur 2,7% der Befragten ohne Alkoholerfahrung (N = 1.230) jemals Cannabiserfahrungen gemacht haben. Unter den Befragten mit Alkoholerfahrung (N = 7.566) haben 30,8% Cannabiserfahrungen gemacht. Aber auch hier ist der wichtigste Befund, daß fast 70% der Alkoholkonsumenten keine Cannabiserfahrungen machen. Offensichtlich ist Alkoholkonsum eine notwendige, nicht aber eine ausreichende Voraussetzung für die Entwicklung von Cannabiserfahrungen. Dies gleicht unserem Befund, daß, wenn überhaupt Kokainerfahrungen vorliegen, diese bei Befragten mit Cannabiserfahrungen verzeichnet werden, während jedoch die meisten Cannabiskonsumenten niemals Kokainerfahrungen machen. In Tabelle 11 zeigen wir Daten über Alkoholerfahrungen auf kumulativen Ebenen und die damit verbundenen Cannabiserfahrungen.


Tabelle 11. 'Jemals-Konsum' (LTP), 'Letztjähriger Konsum' (LYP) und 'Letztmonatiger Konsum' (LMP) von Cannabis unter Befragten der Amsterdamer Haushaltsumfragen 1990 und 1994, gegliedert nach alter Altersgruppe (geboren vor 1958) und junger Altersgruppe (geboren 1958 oder später). Summe N = 8,809.
  N % LTP of Cannabis LYP of Cannabis LMP of Cannabis
Kein LTP Alkohol
geboren 1958 oder später 604 8,0 3,3 1,7 1,3
geboren vor 1958 626 8,3 2,1 0,8 0,6
Summe 1.230 16,3 2,7 1,2 1,0
Chi-Quadrat* 1,35 1,23 0,87
(n.s.) (n.s.) (n.s.)
LTP alcohol
geboren 1958 oder später 3.194 42,2 44,0 20,0 12,1
geboren vor 1958 4.372 57,8 21,2 5,5 3,4
Summe 7.566 100,0 30,8 11,6 7,1
Chi-Quadrat* 450,30 378,59 208,66
(p<.001) (p<.001) (p<.001)
LTP alcohol < 25 times
geboren 1958 oder später 501 57,0 14,2 6,2 4,0
geboren vor 1958 378 43,0 5,3 1,3 0,8
Summe 879 100,0 10,4 4,1 2,6
Chi-Quadrat* 17,34 11,76 7,43
(p<.001) (p<.001) (p<.01)
LTP alcohol >= 25 times + no LMP
geboren 1958 oder später 71 16,8 29,6 7,0 2,8
geboren vor 1958 352 83,2 10,2 1,1 1,1
Summe 423 100,0 13,5 2,1 1,4
Chi-Quadrat* 17,31 7,25 0,29
(p<.001) (p<.01) (n.a.)
LTP alcohol >= 25 times + LMP alcohol
geboren 1958 oder später 2.555 42,0 50,4 23,2 14,0
geboren vor 1958 3.534 58,0 24,3 6,5 4,0
Summe 6.089 100,0 35,3 13,5 8,2
Chi-Quadrat* 440,40 353,92 193,96
(p<.001) (p<.001) (p<.001)
* df=1, Yates-Korrektur

Schlußfolgerung

Der Zugang zu Cannabisprodukten ist in Amsterdam im Zeitraum von 1965 bis 1980 wesentlich leichter geworden. War die Situation zu Beginn dieser Periode noch von starker Repression geprägt, ist Cannabis seit den 80er Jahren fast überall und nahezu problemlos erhältlich. Wir haben die Theorie geprüft, daß Cannabiskonsum - mehr oder weniger zwangsläufig - zum (starken) Gebrauch anderer Drogen führt. Dabei haben wir in zwei umfassenden Haushaltsuntersuchungen 1990 und 1994 mit fast 9.000 Befragten herausgefunden, daß Cannabiskonsum in Amsterdam eine fast notwendige Voraussetzung für den Konsum anderer Drogen ist, aber keine ausreichende. Die meisten Amsterdamer Cannabiskonsumenten (75%) geben an, keine anderen Drogen zu konsumieren. Auch Amsterdamer, die niemals Cannabis konsumiert haben, nehmen keine anderen illegalen Drogen. Die Neugier von Cannabiskonsumenten auf andere Drogen beschränkt sich im wesentlichen auf Kokain und Ecstasy, während Heroin kaum Anziehungskraft ausübt.

Um die 'Stepping-stone-Hypothese' zu testen, haben wir eine überprüfbare Reihe derartiger Hypothesen aufgestellt, wobei wir die Bedingungen verändert, das Kriterium aber beibehalten haben. Wir haben die willkürliche Behauptung aufgestellt, daß wir die Stepping-stone-Hypothese für bewiesen halten, wenn 75% der Cannabiskonsumenten sich gemäß der Hypothese verhalten würden. Keine der Stepping-stone-Hypothesen ließ sich beweisen, obwohl wir bei einem kleinen Teil der Befragten, die das höchste Maß an Cannabiskonsum aufwiesen, Daten gefunden haben, die an eine Bestätigung der Theorie heranreichten. Statistische / epidemiologische Belege für eine Stepping-stone-Hypothese, die einen Zusammenhang von Cannabiskonsum und dem Gebrauch bestimmter anderer Drogen herstellt, lassen sich lediglich für eine kleine Minderheit der Cannabiskonsumenten finden.

In Amsterdam, wo der Konsum illegaler Drogen aufgrund der problemlosen (illegalen) Erhältlichkeit dieser Drogen ermöglicht wird, genügt Cannabis offenbar aus, um die Neugier auf Drogen zu befriedigen. Nur wenige erfahrene Cannabiskonsumenten probieren andere illegale Stoffe, vor allem Kokain und Ecstasy. Dies trifft sowohl für Cannabiskonsumenten zu, die die aktive Strafverfolgung von individuellem Drogenkonsum niemals am eigenen Leibe verspürt haben (die 'junge' Altersgruppe, die 1958 oder später geboren wurde) als auch für Cannabiskonsumenten, die in der Zeit der aktiven Strafverfolgung des Konsums von Cannabis und anderen illegalen Drogen aufgewachsen sind (die 'alte' Altersgruppe, die vor 1958 geboren wurde). Wir haben bestätigt, daß Cannabiskonsum stets dem Konsum anderer Drogen vorausgeht, sofern es überhaupt dazu kommt. Wir haben weder zu erklären versucht, warum das der Fall ist, noch warum die große Mehrheit der Cannabiskonsumenten keine Neugier auf andere illegale Drogen entwickelt.

Die Erfahrungsebenen mit anderen Drogen als Cannabis sind bei den verschiedenen Altersgruppen von Cannabiskonsumenten, die unter unterschiedlichen drogenpolitischen Bedingungen aufgewachsen sind, nahezu identisch.

Fußnoten

  1. Die Samples für unsere Haushaltsumfragen unter Einwohnern ab 12 Jahren werden aus dem Städtischen Einwohnermeldeamt entnommen. Es handelt sich dabei netto um 4.400 Personen pro Jahr, wobei der Anteil der Nicht-Antworten bei 45% der gesamten Stichprobe liegt. Für eine detaillierte Übersicht über die Stichprobenerhebung und die Resultate der Analyse der Nicht-Antworten vgl. Sandwijk et al., 1995.
  2. Für eine detaillierte Beschreibung dieser Entwicklung vgl. Leuw (1994), Korf (1995) und Cohen (1994).
  3. Man darf diesen - zweifellos interessanten - Analysen jedoch nicht zuviel Wert beimessen. Die Analyse berücksichtigt keine Variablen im Hinblick auf Mode und die Entwicklung von Subkulturen, die womöglich kaum Zusammenhang mit Drogenpolitik oder Alter aufweisen. Der Einfluß der 'Drogenwelle' der 60er Jahre wird in diesem Modell beispielsweise nicht berücksichtigt. Solange wir keine Möglichkeiten haben, den eventuellen Einfluß derartiger Variablen zu berücksichtigen, hat die vergleichende Analyse des Drogenverhaltens der beiden Altersgruppen, die mit verschiedenen drogenpolitischen Realitäten konfrontiert wurden, nur beschränkten Wert.
  4. Das Kriterium, wonach 75% der Befragten anderen Drogenkonsum aufweisen müssen, ist in gewisser Hinsicht willkürlich gewählt. Wir haben uns für 75% entschieden, weil dieser Anteil eine klare Mehrheit darstellt. Eine weniger klare Mehrheit wäre unbefriedigend. Hätten wir dagegen einen höheren Anteil gewählt (z.B. 90%), wäre eine Bestätigung der Theorie zu unwahrscheinlich geworden. Ebenso unbefriedigend ist die Behauptung, daß der Nachweis für die Stepping-stone-Hypothese erbracht ist, wenn sie auf einen höheren Anteil der Cannabiskonsumenten als der Nicht-Konsumenten zutrifft. Dabei würden wir nämlich denjenigen Cannabiskonsumenten keine Rechnung tragen, die keine Erfahrungen mit anderen Drogen machen (und die in dieser Hinsicht vergleichbar sind mit den Nicht-Konsumenten von Cannabis).
  5. 40% der erfahrenen Kokainkonsumenten haben Opiaterfahrungen (Heroin, Morphium, Methadon etc.). Cohen, 1989.
  6. Mein Dank gilt David Shewan, Caledonian University Glasgow, Schottland, der uns auf diese Publikation aufmerksam gemacht hat.

Mit Dank an Phil Coffin für seine hilfreichen Kommentare zu einer früheren Version dieses Papiers.

Quellenangaben

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Cohen, Peter (1994), The case of the two Dutch drug policy commissions. An exercise in harm reduction 1968-1976. Paper presented at the 5th International Conference on the Reduction of Drug related Harm, 7-11 March 1994, Addiction Research Foundation, Toronto. forthcoming In Particia G. Erickson et al (Eds): New Public Health Policies and Programs for the Reduction of Drug Related Harm. University of Toronto Press, 1997.

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Kandel, D. B., K. Yamaguchi (1993), From beer to crack: developmental patterns of drug involvement. American Journal of Public Health, June 1993, Vol. 83, No. 6, pp. 851-855.

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